Die „Winterreise“, ein Zyklus von 24 Liedern auf Texte von Wilhelm Müller, den Schubert 1827 ein Jahr vor seinem Tod vollendete, gehört zweifellos zu den größten Schätzen europäischer Musikkultur. Als Dirigent, der sich zeitlebens der textgetreuen Interpretation widmete, weiß Zender nur zu gut, dass es die „richtige“, „authentische“ Interpretation nicht gibt, weil jede klingende Realisierung eines Notentextes und deren hörende Wahrnehmung immer von einem kulturell-geschichtlichen Kontext bestimmt wird – und von der individuell interpretierenden Lesart. Zenders „Winterreise“ ist seine komponierte „Lektüre“ von Schuberts Werk, in der an die Stelle des Klaviers die Farbigkeit des Orchesters tritt, wo Textsprünge, variierte Wiederholungen von Passagen, Einschübe, Transpositionen, Temposchwankungen, Raumverschiebungen und gelegentlich auch frei hinzukomponierte Klänge zugelassen werden. Die folkloristische „Archaik von Akkordeon und Gitarre, die biedermeierliche Salonkultur des Streichquartetts, die extravertierte Dramatik der spätromantischen Sinfonik, die brutale Zeichenhaftigkeit moderner Klangformen“ werden in jedem Lied anders überblendet. Zum Ende hin nimmt die Verfremdung zu, „die ‚heile Welt der Tradition’ verschwindet immer mehr in eine nicht rückholbare Ferne...eher eine abenteuerliche Wanderung als ein wohldefinierter Spaziergang...“, so Zender. Die Einstudierung und die Aufführung der „Winterreise“ unter Zenders Mitwirkung ist das Kernstück der diesjährigen KLANGSPUREN INTERNATIONALE ENSEMBLE MODERN AKADEMIE.